Mittwoch, 16. Januar 2019

Report aus dem Museum: "Light-Water®" und der GLORIA Wi 10 LW


Mitte der 1970er Jahre brachten die GLORIA-WERKE mit dem Typ Wi 10 LW einen Schaumlöscher auf den Markt, der mit einem völlig neuartigen und äußerst effektiven AFFF-Schaummittel (A3F, Aqueous Film Forming Foam, zu Deutsch "wasserfimbildendes Schaummittel") namens "Light-Water®"*arbeitete. Im Gegensatz zu den bis dahin verwendeten synthetischen MB-Schaummitteln und denen auf Proteinbasis besaß das "Light-Water®" die Fähigkeit, auf der Oberfläche von brennbaren Flüssigkeiten - vor allem bei Kraftstoffen auf Erdölbasis - einen dünnen, schwimm- und widerstandsfähigen sowie gasdichten "Wasserfilm" zu bilden, welcher gleich für einen doppelt erstickenden Löscheffekt sorgte. So wurde zum Einen die Sauerstoffzufuhr abgeschnitten und zum Anderen ein weiteres Aufsteigen brennbarer Dämpfe unterbunden. Hierdurch war der Löscheffekt auch bei noch heißen Flüssigkeiten oberhalb der Zündtemperatur nachhaltig und die Gefahr einer Rückzündung bei geschlossener Filmdecke ausgeschlossen. Das "Light-Water®" fand überwiegend in Tanklöschfahrzeugen und stationären Anlagen dort Anwendung, wo große Mengen Treibstoff in Brand geraten konnten. Zu den Haupteinsatzorten zählten daher Flughäfen, Raffinerien, Tanklager, Häfen, Hydrierwerke und Betriebe der Petrochemie.


In Handfeuerlöschern vom Typ Wi 10 LW wurde das "Light-Water®" ab 1975 eingesetzt. So wie alle anderen Nasslöscher wurde auch der Wi 10 LW ungefüllt geliefert, d.h. Füllung und Endmontage erfolgten durch den Kundendienst vor Ort. Gemäß der jedem Gerät beiliegenden Füllanleitung wurden 9,3 l lauwarmes Wasser und 0,7 l "Light-Water®"-Konzentrat in den Edelstahlbehälter gefüllt und durch gleichmäßiges rühren vermischt. Danach wurde der Feuerlöscher zusammengesetzt und war alsdann einsatzbereit.
Die Mischung von Wasser und Konzentrat erfolgte wahrscheinlich erst deshalb beim Kunden, da das Löschmittel im gebrauchsfertigen Zustand seine Wirkung schon nach nur 2-3 Jahren verlor. Es musste daher auch bei jeder Instandhaltung spätestens alle 2 Jahre gewechselt werden.

Das Konzentrat an sich ist unter Sauerstoffabschluss scheinbar ewig haltbar. GLORIA gab für das jedem Wi 10 LW beiliegende Gebinde eine Lagerfähigkeit von maximal 8 Jahren an, doch das Konzentrat in der Flasche hier links im Bild ist schon 40 Jahre alt und noch völlig klar. Sensationell! Unter Einwirkung von Sauerstoff wechselte die Farbe des Konzentrats nach etwa 10 Jahren in ein tiefes braun und das Zeug sah dann aus wie Bratensoße. Hab ich in alten Kartuschen aus den ersten SKK-Geräten schon gesehen, die 10 Jahre und älter waren. In Mischung mit Wasser kippte das Ganze aber wesentlich schneller und das einst klare Gemisch verwandelte sich zu einer milchig-trüben Brühe, deren Bestandteile nach und nach ausfällten und sich am Boden ablagerten. Habe ich auch schon bei SKK-Geräten gesehen, bei denen die Kartusche nach dem Wiederbefüllen nicht dicht war und das LW100 schon vorzeitig in das Wasser gelaufen ist.
Die Wi 10 LW habe ich in meiner Karriere als Sachkundiger und Prüfer natürlich nicht mehr zu Gesicht bekommen, dafür sind sie schon viel zu alt, doch kenne ich das umgekippte Fertiggemisch noch vom S 2 LW, der anfangs eine Mischung aus LW100 und Wasser enthielt. Das "Light-Water®" wird seit etwa 2004 nicht mehr in Feuerlöschern eingesetzt.


Der GLORIA Wi 10 LW ist ein wirklich einzigartiger Feuerlöscher, den viele gerne hätten, aber den es einfach nicht mehr gibt. Der Wi 10 LW war naturgemäß schon sehr selten und wurde als ein spezieller Sonderlöscher ohnehin schon in wesentlich geringeren Stückzahlen ausgegeben, als z.B. der Dauerläufer vom Typ Pi. Zudem kostete er exorbitant viel Geld! Wer 1975 solch ein Schmuckstück erwerben wollte, musste knapp 310,00 DM plus MwSt. auf den Tisch des Hauses legen, das weiß ich aus einem alten Werbeprospekt. Das war natürlich Mitte der 1970er Jahre schon ein ganz schön Häufchen Kies und in etwa das Dreifache der Summe, die ein vergleichbarer, wenn nicht sogar leistungsstärkerer Pulverlöscher gekostet hat. Der hohe Preis kam zu einem gewissen Teil bestimmt auch durch den Löschmittelbehälter zustande, denn der war nicht wie üblich aus Stahlblech sondern aus Edelstahl. Man war sich wohl nicht so ganz sicher, ob beschichtetes oder feuerverzinktes Stahlblech dauerhaft halten würde und um hier kein Risiko einzugehen, nahm man eben gleich rostfreien Edelstahl.
Das wirklich teure war aber dann doch das "Light-Water®" und wie wir schon gelesen haben, musste dies auch noch alle zwei Jahre gewechselt werden. So gesellten sich zu dem exorbitanten Anschaffungspreis auch noch hohe Unterhaltskosten, wodurch der Wi 10 LW wirtschaftlich gesehen eine totale Katastrophe war. Daraus kann man ableiten: Wer den Wi 10 LW nicht unbedingt brauchte, der kaufte ihn auch nicht. Zudem waren Schaumlöscher in den 1970er Jahren kaum bekannt und ein regelrechtes Nischenprodukt.
Tja - wer schaffte sich nun solch einen Wi 10 LW an? Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Ich kann keine hieb- und stichfesten Angaben darüber geben, wo solch ein Löscher auf jeden Fall immer eingesetzt wurde. Es müssen auf jeden Fall Bereiche gewesen sein, in denen brennbare Stoffe der Brandklassen A und B vorkamen, aber wo ein Kohlensäurelöscher nicht ausgereicht hätte. UND: Es durfte im Falle eines Löscheinsatzes auf gar keinen Fall zu irgendeiner gebäudeübergreifenden Sauerei kommen, denn sonst hätte man ja auch auf Pulver zurückgreifen können.
Man denkt jetzt vielleicht an Krankenhäuser und Apotheken, aber genau da wäre er fach eingesetzt gewesen. Die Hauptgefahr in medizinischen Laboren geht von brennbaren Alkoholen aus und genau das hat sich mit dem herkömmlichen AFFF nicht vertragen. Alkohol löste den Schaumfilm auf und der Löscheffekt war gleich null. Hierfür gibt es spezielle APS-Schaumlöscher, doch dass so etwas im Wi 10 LW eingesetzt worden ist, ist mir nicht bekannt. Ich habe auch schon viele original Ausstattungsplänen von Krankenhäusern aus den 1970er Jahren gesehen und dort stand schwarz auf weiß, dass samt und sonders K6 und K1,5 vorgehalten wurden.
Von einem Kollegen weiß ich allerdings, dass vor gut 40 Jahren solche Modelle in einem Chemiewerk angeschafft worden sind, die er selbst Instand gehalten vor etwa knapp 20 Jahren auch ausgesondert hat. Da haben wir es. Ein Chemielabor


Ich hatte mich über die Jahre schon fast damit abgefunden, so einen Wi 10 LW niemals mein Eigen nennen zu können, doch das Schicksal meinte es sehr gut mit mir, denn das Blättchen wendete sich mit meiner Fahrt nach Leonberg. Hier erstand ich die letzten Restbestände des ehemaligen Stuttgarter GLORIA Verkaufsbüros und Werkslagers St. Florian und neben allerlei anderer Kostbarkeiten war eben auch der Wi 10 LW dabei; und das in OVP - ungefüllt und noch nie montiert! Neben dem Edelstahlbehälter enthielt der Karton den Schlauch, eine Blei-Platzscheibe, einen Wandhalter, die Füllanleitung und die eben schon gesehene 0,7 l Schaum-Konzentrat-Flasche. Das war wirklich etwas ganz besonderes, denn man muss sich mal folgendes vorstellen: So einen Wi 10 LW gibt es einfach nicht mehr, der liegt auch nicht mehr irgendwo im Keller und als Sammler würde man sich wahrscheinlich auch mit einem abgerockten Modell zufrieden geben. Aber selbst das gibt es nicht mehr. Die wenigen, die es wirklich auf dem Markt gab, sind längst schon verschrottet worden. Ich sammle seit nun etwa 30 Jahren und noch niemals habe ich einen solchen Wi 10 LW gesehen, weder irgendwo in freier Wildbahn noch irgendwo anders. Dass man dann in heutiger Zeit ein 40 Jahre altes, nagelneues Gerät in OVP bekommt und einem die große Ehre zuteil weit, dieses auch als erster nach 40 Jahren zusammenzubauen - ungefüllt natürlich - dass glaubt einem doch kein Mensch. Es ist wirklich nicht zu fassen aber tatsächlich wahr.
Und alle die, die jetzt denken: "Mensch, das kann der doch nicht aus dem Karton nehmen und zusammenbauen... das muss OVP bleiben!" kann ich beruhigen, denn ich habe noch einen. OVP im original zugetackerten Karton. Der bleibt auch so, wie er ist.

*"Light-Water®" ist der Markenname des Herstellers 3M.

©. Menzel 2018

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