Montag, 22. September 2014

Tetralöscher - Vorsicht! Gift

Vom Aussehen her erinnern Tetralöscher entfernt an eine alte Ölkanne und typische Merkmale sind ihr einfaches Handrad sowie der charakteristische Handgriff bei den 2-l-Geräten. Ganz alte Modelle von vor 1930 besitzen an der Unterseite noch einen Schlagknopf. Tetralöscher erhielten Ihre Zulassung bereits 1914 und gehören somit neben den berühmten MINIMAX-Spitztüten zu den ältesten Feuerlöschern überhaupt. In der damaligen Zeit boomte die Elektrifizierung und auch die Motorisierung an Land und in der Luft kam langsam in Schwung; es musste daher schnell ein Löschmittel auf den Tisch, mit welchem sich sowohl Brände in elektrischen Anlagen, als auch solche von Benzin sicher, wirksam und schnell bekämpfen ließen. Da bot sich eine chemische Verbindung namens Tetrachlorkohlenstoff geradezu perfekt an, weil es - abgesehen von der Giftigkeit - ganz erhebliche Vorteile bot. Von der Wirkungsweise her war es wie gewünscht elektrisch nichtleitend und äußerst effektiv gegen Brände von Flüssigkeiten. Weiterhin konnte es unter einem nur geringen Druck von etwa 7 - 10 bar in einfachen, anfangs noch mit Blei ausgeschlagenen Stahlblechbehältern bereitgestellt werden.
Das einzige Löschmittel, welches ähnliche Eigenschaften in Bezug auf die elektrische Leitfähigkeit und im weit entfernteren Sinne auch ähnliche Resultate beim Löschen von Flüssigkeitsbränden erzielte, war das Kohlendioxid, welches lange Zeit (Bis Ende der 1970er Jahre) fälschlicherweise als Kohlensäure bezeichnet worden ist. Wegen seines hohen Dampfdrucks, welcher bei 20 °C ca. 57 bar, beträgt und mit steigender Temperatur rapide in die Höhe schnellt (bei 40°C sind es schon rund 180 bar!), musste Kohlendioxid jedoch in massiven, schweren sowie sperrigen Stahlflaschen bereitgestellt werden und die Löschwirksamkeit verpuffte außerhalb geschlossener Räume im Nichts, wodurch sie zumindest zum Mitführen in Fahrzeugen und Flugzeugen völlig ungeeignet waren.
Hier schlug dann die große Stunde der Tetralöscher, die hervorragend in Fahrzeugen und Flugzeuge passten. Zudem waren sie durch Zugabe eines Schlückchens Trichlorethylen (ebenfalls giftig) bis zu einer Temperatur von -35 °C frostsicher. Die Giftigkeit des Tetrachlorkohlenstoffs war zwar hinlänglich bekannt, doch begnügte man sich damit, durch einen im Jahre 1923 einberufenen "Tetra-Ausschuss"die Löscher auf eine Größe von 6 Litern (!) zu beschränken. Dies führte dazu, dass sich die Tetralöscher bis zu ihrem Verbot 1964 millionen- und abermillionfach verkauften.

Umgang mit Tetralöschern
Obwohl die Tetralöscher seit 50 Jahren vom Markt und aus der Öffentlichkeit verschwunden sind, tauchen sie im Vergleich zu anderen Feuerlöschern aus dieser Zeit überproportional häufig bei Ebay und Ebay-Kleinanzeigen auf und das gefährliche ist: 99 % dieser dort angebotenen Geräte sind noch gefüllt. Wie kommt das, mögen einige sich jetzt sicherlich fragen, doch er Grund hierfür ist einfach und plausibel: Alle Tetralöscher, die auf den einschlägigen Verkaufsplattformen auftauchen, stammen samt und sonders aus Privathaushalten und da die Geräte speziell auch als Auto- und Garagenlöscher beworben wurden, kamen eben in vielen Privathaushalten die kleinen 0,8 und 2,0 l-Tetralöscher an die Wand bzw. in den Wagen. In einigen Fällen gab es aber auch die großen Geräte mit 4,0 und 6,0 l Inhalt. Da Feuerlöscher in Privathaushalten damals wie heute keinerlei gesetzlichen Instandhaltungsfristen unterliegen, blieben viele der Löscher nach ihrem Verbot 1964 dort, wo sie waren. Der Eigentümer hat ihn nicht rausgerückt, da er vermutlich gar nichts von dem Verbot mitbekommen hat und Sachkundige, welche die gefährlichen Löscher aus dem Verkehr gezogen haben, betraten damals nur selten die privaten Wohnstuben. Im Laufe der Jahrzehnte wechselten dann schließlich viele Immobilien den Besitzer und der neue Eigentümer räumt dann erstmal Opas Garage auf und genau bei solchen Aktionen kommen dann die alten Tetralöscher wieder zum Vorschein, die entweder immer noch dort an der Wand hängen oder im Regal eingemottet worden sind.
abbekommt. Tetralöscher sind ein schöne Dekostücke, ohne Frage, doch können sie eine Gefahr darstellen.

Tetrachlorkohlenstoff
Tetrachlorkohlenstoff (Tetrachlormethan, CCl4) ist eine farblose oder durch technische Verunreinigungen leicht gelbliche, stark lichtbrechende, nicht brennbare, giftige Flüssigkeit von unangenehm süßlichen Geruch und gehört zu den Verbindungen aus der Reihe der Chlorkohlenwasserstoffe. Die Dämpfe sind schwerer als Luft und es ist unlöslich in Wasser, dafür jedoch mit organischen Lösungsmitteln wie Alkohol, Äther, Benzin, Benzol und Chloroform beliebig mischbar. Tetrachlorkohlenstoff ist ein hervorragendes Extraktionsmittel für Fette, Harze, Lacke, Öle, Kautschuk und dergleichen, sodass es in großem Stil als Putzmittel für Maschinen und Fleckenreinigungsmittel in chemischen Reinigungen zum Einsatz kam. Neben seiner bereits erwähnten Verwendung als Feuerlöschmittel fand es weiterhin auch Anwendung in Insektiziden (!) und als Desinfektionsmittel.
Da es beim Umgang mit Tetrachlorkohlenstoff immer wieder zu schweren Vergiftungen mit oft tödlichem Ausgang kam, wurde seine Verwendung als Fleckenreinigungsmittel bereits zu Beginn der 1960er Jahre als gesundheitlich bedenklich eingestuft und weitgehend abgeschafft. So - und hier müssen bei jedem die Alarmglocken schrillen. In den 1960er Jahren lief bei Boehringer in Hamburg die HCH-Produktion auf Hochtouren und neben Lindan wurden auch DDT sowie E-605 ohne irgendeine Art von Sicherheitsvorschriften munter auf Äcker und in private Nutzgärten gepulvert. Gebäude wurden mit Asbest gedämmt, Fußböden mit giftigen Klebern verlegt und aus zig Millionen Möbeln gasten toxische Lösungsmittel aus. In Zeiten also, wo der Umwelt-, Arbeits- und Verbraucherschutz im Vergleich zu heute noch weitestgehend in den Kinderschuhen steckte, wurde Tetrachlorkohlenstoff also bereits als bedenklich eingestuft - und das ist schon eine Ansage.

Die Giftwirkung von Tetrachlorkohlenstoff ist äußerst heimtückisch und es ist giftig beim Einatmen, beim Verschlucken und auch bei Berührung mit der Haut. Für eine erwachsene Person wirken bei oraler Aufnahme bereits 2 - 4 g tödlich. Eingeatmet wirkt Tetrachlorkohlenstoff stark narkotisch, doch auch Mengen, die nur einen geringen narkotischen Effekt erzeugen, können verhängnisvoll sein. Erste Anzeichen einer Vergiftung sind Schwindel, Kopfschmerzen, Rauschszustände, Sinnesstörungen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Bewusstlosigkeit. Die Beschwerden klingen nach kurzer Zeit wieder ab, doch treten oft nach Wochen der Scheinbesserung erneut schwere Vergiftungserscheinungen auf, welche schließlich zu Leber- sowie Nierenversagen und damit zum Tod führen. In hohen Konzentrationen wirkt TETRA akut tödlich - Koma und Tod treten oft wenige Minuten nach der Exposition ein.
Nicht nur bei der industriellen und gewerblichen Nutzung kam es zu Unfällen, sondern auch bei der Benutzung von Tetralöschern kam es in der Geschichte wiederholt zu tödlichen Vergiftungen, da die Geräte vielfach zweckentfremdet worden sind - etwa zur Vernichtung von Insekten und anderen Schädlingen. Besonders in ländlichen Regionen kam es häufig zu Unfällen solcher Art. Bei Löscheinsätzen traten auch Vergiftungen auf, bei welchen die Gefahr jedoch nicht nur von dem TETRA in Reinform ausging.
Tetrachlorkohlenstoff hat die weitere unangenehme Eigenschaft, sich unter Hitzeeinwirkung in teilweise sehr giftige Folgeprodukte zu zersetzen. Spritzt man TETRA beim Löscheinsatz in ein herkömmliches Feuer mit einer Flammentemperatur von 300 bis 700 °C, entstehen unter anderem Phosgen und Salzäuregas. Phosgen ist weitaus giftiger als Tetrachlorkohlenstoff selbst und dürfte den meisten von Euch ein Begriff aus dem Ersten Weltkrieg sein, wo es als Giftgas Angst und Schrecken in den Schützengräben verbreitete. Beim Löschen schützte den Anwender oft nur das ebenfalls entstehende Salzsäuregas, welches durch seine ätzende Wirkung einen starken Hustenreiz auslöste und zum Verlassen des Brandherdes zwang, bevor eine tödliche Menge Phosgen eingeatmet wurde.

Aufgrund ihrer Giftigkeit kamen Tetralöscher nach und nach in Verruf und einige Hersteller stellten die Produktion schon Ende der 1950er Jahre ein. Im Jahre 1964 wurde Tetrachlorkohlenstoff als Feuerlöschmittel verboten und die Löscher verschwanden exakt 50 Jahre nach ihrer Zulassung vom Markt.
Heute hat Tetrachlorkohlenstoff praktisch überhaupt keine Bedeutung mehr.

Wenn Ihr einen Tetralöscher findet, dann solltet Ihr ihn auf jeden Fall fachgerecht entsorgen lassen. Vielleicht über die Schadstoffannahme des örtlichen Abfallentsorgers und wenn der sie nicht nimmt, könnt Ihr es immer noch bei einem Brandschutzbetrieb versuchen. Das kostet aber.
Wenn Ihr den Löscher zu Dekozwecken behalten möchtet, sollte er entleert werden. Das macht Ihr natürlich nicht selbst und schon gar nicht irgendwo in die Büsche.
Die alten Behälter halten zwar sehr dicht, doch wenn das Zeug raus ist, kann es nicht mehr auslaufen.


© PhoenixFeuerschutz 2014
© Menzel 2021


3 Kommentare:

  1. ich habe 3 Löscher in einer alten Garage gefunden und wollte sie im Wertstoffhof abgeben sie nehmen die nicht an. Wo kann ich sie dann abgeben?

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  2. Naja Chris, ganz schön belehrend. Es gibt vermutlich keine Zahlen, wie viele Menschen von 1900 bis 1960 durch Verwendung von Tetralöschern ums Leben gekommen sind oder schwere Gesundheitsschäden erlitten haben. Denn sie hingen eben nicht in der Wohnung, sondern neben der Fahrerkabine des LKW oder im Kofferraum eines PKW. Ergo der Einsatz erfolgte im Freien, und wirklich Tetra abbekommen haben vermutlich nur wenige. Aber die Warnung vor dem erschröcklichen Gift passt in eine Zeit, in der auch Schwefelsäure oder Phosphor aus den Chemiekabinetten von Schulen verbannt werden, oder der Käufer von 20 Liter Wasserstoffperoxid Besuch vom Bundeskriminalamt bekommt. Heute muss ja sogar Löchschaum wie Sondermüll behandelt werden. Ich habe schon mal welchen ins Gesicht bekommen un kann Dir versichern, dass er sich wie Seifenwasser anfühlt und keine roten Flecken auf der Haut verursacht. Erst kürzlich wurde vor Geräten gewarnt, die eine winzige Menge Radium enthalten, mit dessen Hilfe eingebrachtes Wasser mit Radon angereichert wird. Sollen auch brandgefährlich sein, rückt wahrscheinlich das THW mit Vollschutz an, um eine Blechdose, die seit 80 Jahren im Regal steht, abzuholen. Das Leben ist schon gefährlich, am Ende sogar lebensgefährlich! Ralf

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  3. Fotodrescher, mir ist ein Fall aus den 70ern bekannt in dem Kinder mit Tetrachlorkohlenstoff gespielt und die Dämpfe aus 30cm Entfernung für ca eine Stunde eingeatmet haben. Das Zeug riecht ja angenehm süßlich. Davon haben beide lebenslange Leberschäden davongetragen.

    Tetra ist im Gegensatz zur heutigen Panikmache wirklich gefährlich. Dass es selbst in einer Zeit, in der Chemikaliengefährlichkeit noch kein Thema war als gefährlich eingestuft wurde, spricht eben doch für sich.

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