Montag, 2. April 2018

Der Einsatz brennbarer Dämmstoffe in äußeren Wärmeverbundsystmen

Mittwoch, 14. Juni 2017: Gegen 00:50 schloss eine Kühl-Gefrierkombination in einer Wohnung im vierten Stock des Londoner Grenfell Towers kurz und verursachte einen Küchenbrand, welcher durch die nur wenige Minuten später eintreffende Feuerwehr auch eingedämmt werden konnte. Das Feuer hatte allerdings infolge des gekippten oder geborstenen Küchenfensters auf die mit PIR-Hartschaumplatten gedämmte Hausfassade übergegriffen und was dann geschah, gleicht einem Albtraum, aus welchem 79 Bewohner leider nicht mehr erwacht sind.
Das Feuer wütete in der Dämmstoffschicht zwischen Wand und Aluminiumverkleidung und verbreitete sich derart schnell, dass die Feuerwehr kaum eine Chance hatte, des Infernos Herr zu werden. Die Hartschaumplatten schmolzen in der Hitze, entzündeten sich und flossen brennend die Fassade hinunter in die Wohnungen. Jeder wird wohl noch die schrecklichen Bilder dieser hässlichen schwarzen Fackel vor Augen haben, welche trotz allen Bemühungen der Einsatzkräfte fast ganze 24 Stunden brannte.
Dieses außergewöhnliche Brandereignis sorgte für Aufruhr in ganz Europa und schnell wurde auch in Deutschland die Frage laut: "Kann so etwas bei uns auch passieren?"
Ohne jetzt detaillierte Einzelheiten zu nennen, kamen die Expertengremien zu dem Schluss, dass sich solch eine Katastrophe in diesem Ausmaß hier bei uns in Deutschland wohl nicht wiederholen könne, obwohl dieses Thema schon seit Jahren kontrovers diskutiert wird. Erste Konsequenzen größeren Ausmaßes ließen jedoch nicht lange auf sich warten.
Am 27. Juni 2017 erfolgte in Wuppertal die Räumung eines Hochhauses wegen eklatanter Brandschutzmängel auch im Fassadenbereich und im September 2017 wurde der "Hannibal" in Dortmund mit seinen 412 Wohnungen kurzfristig evakuiert - ebenfalls wegen gravierender Brandschutzmängel.

Verarbeitung brennbarer Dämmstoffe
Im Sinne der Energie-Einspar-Verordnung (EnEV) wird bei Bestands- und Neubauten eine Fassadendämmung vorgenommen, wobei häufig auf ein äußeres Wärmeverbundsystem (WVDS) zurückgegriffen wird.
An die Hauswand wird dabei mit Zementkleber, Dübeln oder auch Schienensystemen ein Dämmstoff angebracht, Armierung drauf, Putz drüber: Fertig ist die Laube.
Der Dämmstoff selbst besteht häufig aus Polystyrolplatten, da diese im Vergleich zu anderen Materialien wie z.B. Steinwolle effektiver dämmen und vor allem auch erheblich günstiger sind. Ob es sich dabei nun um EPS, XPS, PU, PIR oder sonstwelche Dämmplatten handelt, ist völlig egal, denn der Ausgangsstoff, das Polystyrol, ist brennbar. Zwar werden solche Dämmplatten mit entsprechenden Mittelchen behandelt und können je nach Ausführung von der Baustoffklasse "normal entflammbar" in die Baustoffklasse "schwer entflammbar" rutschen, aber man darf sich hierdurch nicht narren lassen: brennbar ist brennbar und bleibt auch brennbar.
Zugegeben: Man muss zwar relativ lange daran herumkokeln, aber wenn die Temperatur hoch genug ist und das Feuer lange genug einwirken kann, dann ist der Teufel los! So eine Polystyrolplatte verflüssigt sich schlagartig und spritzt und fließt brennend überall hin! Ich war mal bei einem Versuch bzw. einer Vorführung dabei und sowas hatte ich bis Dato noch nie gesehen! Lange Zeit passierte nichts, dann machte es "PLATSCH" und alles hat gebrannt... der Tisch, die Wiese unter dem Tisch... einfach alles... und diese enorme pechschwarze Rauchentwicklung... Erschreckend!

Erhöhte Brandgefahr bei beschädigten Fassaden
Der größte Schwachpunkt gedämmter Fassaden ist die Putzschicht. Bei massiven Wänden gehen Putz und Mauerwerk eine feste Bindung ein, welche stabil und widerstandsfähig ist. Auf gedämmten Fassaden sieht es jedoch anders aus. Der Untergrund ist weich und nachgiebig und obendrein verbinden sich die beiden Materialien verbinden auch nicht. Deshalb kann die spröde Putzschicht trotz Armierung rissig werden und bröseln.
Es braucht wirklich keine große Anstrengung, um einen Schaden zu fabrizieren; Schon der Lenker eines wuchtig abgestellten Fahrrads hat die gleiche Wirkung wie der Hieb mit einer Spitzhacke und das alltägliche Geschehen bietet zahlreiche weitere Möglichkeiten für Löcher, Risse und andere Schäden. Sogar Vögel werden immer wieder dabei beobachtet, wie sie Löcher in gedämmte Hausfassaden picken, weil sie aufgrund des hohlen Geräuschs denken, dort ein Nest bauen zu können. Also: Wenn der Lack erstmal ab ist, dann liegt die Dämmung frei und eine freiliegende Dämmung bedeutet immer auch Brandgefahr!

Brandlasten vermeiden, vorhandene Schäden sofort Instand setzen lassen
Neben einem pfleglichen Umgang mit der Hausfassade empfiehlt es sich, direkte Brandlasten im Umfeld der Fassade zu vermeiden. Häufig stehen zum Beispiel die Mülltonnen direkt an der Hauswand und hier links im Bild sehen wir, was passiert, wenn jemand heiße Asche einfüllt oder solch eine Tonne mutwillig in Brand setzt. So eine Mülltonne brennt lange und heiß, sodass auch intakter Putz reißen und das Feuer bis zur Dämmung vordringen kann. Deshalb ist es am Besten, wenn Mülltonnen, aber auch Roller, Fahrräder, Autos und dergleichen nicht in direkter Nähe zur Fassade stehen. Das ist in vielen Fällen jedoch aus Platzmangel einfach nicht möglich.
Bei entstandenen Schäden empfiehlt es sich natürlich, diese schnellstmöglich beseitigen zu lassen. Dies gilt insbesondere für Löcher bzw. Beschädigungen durch Umbauten oder Demontagen, denn diese Löcher sind tief.
Auch wenn sich eine Katastrophe wie in London nach Meinung der Experten hier in Deutschland nicht wiederholen kann (Sicher??? Ich würde das nicht unterschreiben!), brennen auch hierzulande jährlich so einige gedämmte Fassaden und dies zeigt, dass diese Gefahr nicht zu unterschätzen ist. Wenn man es als Eigenheimbesitzer selbst in der Hand hat, ist der beste Schutz natürlich, auf nicht entflammbare Dämmstoffe wie etwa Steinwolle zurückzugreifen. Diese ist zwar teurer, aber die Brandgefahr ist damit gebannt. Ansonsten gilt:

  • Montagen jeglicher Art (z.B. Thermometer, Vogelhäuser, Briefkästen usw.) fachgerecht durchführen.
  • Durch Demontagen oder Umbauten entstandene Schäden (Bohrlöcher) umgehend beheben bzw. beheben lassen.
  • Hausfassade in regelmäßigen Abständen kontrollieren und bemerkte Schäden umgehend reparieren bzw. der Hausverwaltung oder dem Vermieter zur Instandsetzung melden.
  • Vorsichtiger und umsichtiger Umgang mit der Hausfassade (z.B. beim reintragen von möbeln, Getränkekisten und dergleichen). 
  • Brandlasten wie Mülltonnen und dergleichen wenn möglich mit ausreichendem Abstand zur Hauswand aufstellen.

©. Menzel 2018

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