Montag, 16. Juli 2012

NEURUPPIN XP 6 Hf Bj. 1965

NEURUPPIN HP 6 Hf 1965
Hersteller: VEB Feuerlöschgerätewerk Neuruppin
TROCKEN 6
Typ: XP 6 Hf
Baujahr: 1965
Bauart: Aufladelöscher mit innenliegender Treibmittelpatrone
Inhalt: 6 kg (BC)-Pulver
Gewicht des gefüllten Geräts: ca. 11 kg

Geschichte
Einen Feuerlöscher wie diesen dürften vermutlich die meisten Menschen, die nicht aus der DDR kommen, noch niemals gesehen haben. Ich auch nicht. Nach der Wende bekam man die „normalen“ NEURUPPIN-Pulverlöscher (Schlagknopf oben) zu Gesicht, solch ein Exemplar jedoch nicht. Dieser Feuerlöscher vom Typ XP 6 Hf stellt gleich mehrfach etwas Besonderes dar. Das ungewöhnlichste an diesem Gerät dürfte wohl der unten am Behälter angebrachte Schlagknopf sein. Um den Löscher mit dem Betriebsdruck aufzuladen, musste er kräftig auf den Boden geschlagen werden. Dies ist sowohl für diese Behälterform sehr ungewöhnlich, als auch für die Mitte der 1960er Jahre. In Westdeutschland galt diese Art der Aufladung schon in den 1950er Jahren als veraltet und wurde mit Ausnahme der MINIMAX-Spitztüte (Produktionsende 1960) auch nicht mehr angewendet. Die Umständlichkeit dieser Art der Aufladung wurde dann wohl auch in der DDR erkannt, weshalb die Produktion dieses Löschers 1966 eingestellt wurde. Alle nachfolgenden NEURUPPIN-Löscher wurden mit einem oben auf dem Behälter angebrachten Schlagknopf ausgestattet, wie man es auch vonheutigen Feuerlöschern kennt. Eine weitere Besonderheit stellt der Schlauch mit der massiven Löschpistole aus Gusseisen dar. Kommen wir erstmal zum Schlauch: Dieser ist nicht aus Gummi, sondern aus geflochtenem Stahlband – so wie man es heute von den Zuleitungen zum Wasserhahn kennt.  Der Grund für die Verwendung von geflochtenem Stahl dürfte wahrscheinlich die rein auf die heimische Braunkohle ausgerichtete Chemie-Industrie sein. Zum Import von ausreichend Rohöl fehlten der DDR schlicht und einfach die Devisen, weshalb Kunststoffe und dergleichen größtenteils aus Braunkohleprodukten gewonnen wurden. Das war jedoch so unwirtschaftlich, dass es wohl für Feuerlöscherschläuche aus Gummi in den 1950er und Anfang der 1960er Jahre nicht gereicht hat. Genau wie der Schlauch ist die Löschpistole ebenfalls nicht aus Kunststoff sondern aus massivem Gusseisen – aus den gleichen Gründen vermutlich. In Westdeutschland gab es niemals Schläuche aus geflochtenem Stahl und die Löschpistolen aus Gusseisen wurden schon Ende der 1950er Jahre durch solche aus Kunststoff ersetzt. Die Verwendung von Stahl und Eisen für Schlauch und Löschpistole ist also eher als rückständig und unvorteilhaft anzusehen, da das Gesamtgewicht des Feuerlöschers dadurch erhöht wurde und diese Materialien zudem auch noch rostanfällig waren. Ebenfalls erwähnenswert ist die Ausgestaltung des Siebdruckbildes. Für einen Feuerlöscher von 1965 ist es sehr zeitgerecht, da auch die Feuerlöscherhersteller aus Westdeutschland zur Mitte der 1960er Jahre hin auf schlichte Siebdruckbilder setzten. Aber wenn man bedenkt, dass dieser Typ Feuerlöscher jahrelang genau gleich gebaut und designt wurde – also auch schon in den 1950er Jahren so aussah, dann ist diese schlichte Ausgestaltung etwas besonderes. In Westdeutschland wurde der Aufdruck auf den Feuerlöschern bis etwa 1964 sehr aufwändig und mehrfarbig (vielfach in Gold) gestaltet, in der DDR hingegen nicht. Ob diese Schlichtheit wieder auf fehlenden Rohstoffen basiert oder zukunftsweisend war, vermag ich jetzt nicht zu sagen.Kommen wir mal zur Qualität: Mit einer Wurfweite von 5-6 Metern und einer Einsatzdauer von 15 Sekunden bei Dauerstrahl steht dieser Feuerlöscher den westdeutschen Geräten in nichts nach und ist auch mit modernen Feuerlöschern vergleichbar, welche die gleichen Werte erzielen. Aber ein ganz großes Problem war wohl die Dichtheit und ein selbständiger Druckaufbau bei höheren Temperaturen. Bei erhöhten Temperaturen war es bei diesem Löscher wohl üblich, dass sich im Löschmittelbehälter auch ohne die Treibgaspatrone Druck aufbaute. Beim Betätigen der Löschpistole kam immer etwas Pulver heraus. Um dieses zu Unterbinden wurden die Löscher ab 1965 mit einem Dichtring im Anschlussstück des Schlauches versehen, welche erst beim Aufladen angesprochen haben und geborsten sind. Doch wenn der Feuerlöscher aufgeladen wurde, warf er auch ohne Betätigen der Löschpistole an mehreren Stellen das Pulver aus und war, trotz der abstellbaren Löschpistole, nicht wirklich abstellbar und sprühte so lange, bis er schließlich leer war. Auch in diesem Punkt werden Mängel sichtbar, die es bei den DIN-geprüften Feuerlöschern aus Westdeutschland mit Sicherheit nicht gegeben hat. Ein weiterer interessanter Hinweis in Bezug auf die Sicherheit dieser Geräte bietet der rückseitig angebrachte Satz:

Ab einer Außentemperatur von 35°C besteht akute Zerknallgefahr!

Diese Warnung bezieht sich jedoch nicht auf den Löschmittelbehälter sondern auf die innere Treibgaspatrone. Der Behälter selbst war ebenso wie der eines Feuerlöschers aus Westdeutschland mit einer Überdrucksicherung ausgestattet (Ansprechdruck 16-20 bar), welches einen gefährlichen Überdruck einfach abgeblasen hat. Dennoch ist dieser Satz ein ganz eindeutiger Hinweis darauf, dass bei diesem Typ Löscher die innenliegende Treibgaspatrone sehr temperaturempfindlich war. Wenn die Temperatur die 35 °C-Marke übersteigt besteht die Gefahr, dass sich der Feuerlöscher von selbst auflädt. Wenn man bedenkt, dass die Temperaturen in einigen Einsatzbereichen mit Sicherheit mehr als 35°C betrugen (wie z.B. in einer einfachen Garage im Hochsommer), dann ist dies sicherlich häufiger passiert. Ärgerlich für den Besitzer, denn wenn der Feuerlöscher wie vorgesehen im Ernstfall betriebsbereit sein soll, hätte er ihn in so einem Falle überprüfen und mit einer neuen Druckpatrone und einer Füllung versehen lassen müssen. Auf Löschern späteren Baujahres fehlt dieser Hinweis und es ist daher anzunehmen, dass die Konstruktion der Treibgaspatrone verbessert wurde. Aber dennoch war dieser Typ Feuerlöscher sehr verbreitet und kam auf Fahrzeugen, in Kaufhäusern, in der Industrie, in Privathaushalten und sonstigen Bereichen des öffentlichen Lebens zum Einsatz. Ein schönes Stück DDR-Technikgeschichte, welches nach Einführung der neuen Modelle und nach der Wende sowieso sofort verschrottet wurde und daher heute äußerst selten ist – vor allem in dem Zustand.

Vielen Dank Andreas für die vielen tollen Infos!


© Text: C. Müller
© Bild und Informationen Andreas

1 Kommentar:

  1. Diesen Feuerlöscher gab es zu Tausenden in den Leuna Werken und Funktionieren ungeprüft noch heute :))

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